Oma und Opa wussten noch...,

                                                   dass es in Badra einstmals eine Molkerei gab

 

Fast verblasst ist die Erinnerung an diese besondere Einrichtung, nur der Name wird von den älteren Einwohnern noch verwendet, wenn sie von dem heute noch existierenden Gebäude an der Staatsstraße sprechen. Als das Haus am Ortsausgang in Richtung Sondershausen errichtet wurde, waren hier noch keine anderen Gebäude vorhanden. Die nächsten Nachbarn wohnten fast 100m entfernt.

Inzwischen ist der Ort gewachsen. Die ehemalige Molkerei, deren Geschichte wir nachspüren wollen, ist Teil einer ganzen Häuserzeile, die sich fast bis zum Ortsausgangsschild hinzieht. Das Gebäude der ehemaligen Molkerei ist heute das Wohnhaus der Familie von Silvio Wenk und nichts erinnert an diesem gepflegten Anwesen mehr an die einstige Nutzung.

Die Molkerei nahm Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Platz im dörflichen Leben ein und bildete einen wichtigen Teil des eigenständigen bäuerlichen Arbeitens, denn in der Molkerei wurde ein wichtiges in den landwirtschaftlichen Betrieben erzeugtes Grundlebensmittel - die Milch – weiter verarbeitet.

 

Auch heute noch gehören Milch und aus der Milch erzeugte Lebensmittel zu den wichtigsten Bestandteilen unserer Ernährung. Seit die Menschen Ackerbau und Tierhaltung betrieben, schätzten sie auch die Milch der Tiere als wichtiges Nahrungsmittel. Hatte man zu Beginn der Domestikation, also der Umzüchtung wilder Tiere zu Haustieren, nur wenig Milch zur Verfügung, wurde die Milchleistung der Tiere durch Zucht und Fütterung in den folgenden Jahrtausenden immer mehr erhöht.

Milch ist zwar ein hochwertiges Lebensmittel, aber sie ist auch leicht verderblich. Also entwickelte man Verfahren, um die Milch, indem man sie verarbeitete, haltbar zu machen – aus Milch hergestellte Produkte waren entstanden, unter denen der Käse wohl bis heute die bedeutendste Rolle einnimmt.

Die Herstellung von Quark, Käse und anderen Milchprodukten wurde zunächst in den Erzeugerfamilien betrieben. Als aber die Milchleistung der Tiere etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts  weit höher war, als man verarbeiten und verbrauchen konnte, war ein Überschuss vorhanden, den man verkaufen konnte. So entstanden in den Milchviehwirtschaft betreibenden Regionen in dieser Zeit erste Molkereigenossenschaften. Denn mit dem in dieser Zeit raschen Anwachsen der Städte infolge der Industrialisierung gab es auch immer mehr Verbraucher für die Milchprodukte, eine neue wirtschaftliche Quelle ergab sich für die Landwirte.

 

Auch in Badra verlief die Entwicklung ähnlich. Voranstellen muss ich, dass nur wenig Informationen erhalten geblieben sind und die vorhandenen Erinnerungen wenig konkrete Zeitangaben beinhalten.

Nach dem heutigen Wissensstand entstand wohl die erste Molkerei in der Landstraße neben dem Hof von Familie Neidhold. Dort wurde von einer Familie Lier Milch verarbeitet, die von den Bauern des Ortes aufgekauft wurde. Sie besaßen eine handgetriebene Zentrifuge und verkauften Quark, Butter und Käse. Ob der Molkereibetrieb Haupterwerb der Familie war oder nur ein Nebenerwerb, lässt sich heute nicht mehr ermitteln.

Es ist anzunehmen, dass diese Anfänge einer örtlichen Molkerei wohl in die letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts fallen. In dieser Zeit wurden aber wahrscheinlich die meisten Milchprodukte noch in den einzelnen Bauernwirtschaften hergestellt und das, was man nicht selber benötigte, auch privat nach Sondershausen oder Frankenhausen vermarktet.

Auf diese bescheidenen Anfänge eines Molkereibetriebes folgte eine Erweiterung in dem Gehöft, das sich heute in der Staatsstraße 20 befindet. Wer der Betreiber der Molkerei war, ließ sich nicht exakt in Erfahrung bringen. Die bereits verstorbene Großmutter von Silvio Wenk nannte einen Richard Herold. Unterlagen, die das verifizierten, ließen sich nicht ermitteln. In diesem Gehöft muss wahrscheinlich bereits ausschließlich eine Molkerei betrieben worden sein, wie das Schild am Gebäude bezeugt: „Molkerei und Käserei Badra“ (siehe Foto). Hier existierte auch eine mit Motor getriebene Zentrifuge. Die benötigte Milch wurde vom ganzen Dorf geliefert. Die Bauern verfügten über große Kannen, die durch festgelegte Nummern gekennzeichnet waren, und morgens nach dem Melken auf sogenannte Milchbänke gestellt wurden, die sich an verschiedenen Stellen im Dorf befanden. Mit einem Pferdewagen wurden die Kannen von Richard Schön, dem Vater von Jenny Wenk und Urgroßvater von Silvio Wenk abgeholt und zur Verarbeitung in die Staatsstraße gefahren.

Anfang des 20.Jahrhunderts baute Gustav Müller dann die Molkerei in der Staatsstraße am Ortsausgang in Richtung Sondershausen. Wann der Bau erfolgte, wer Gustav Müller war, ließ sich nicht erkunden. In der „ Chronik der Pfarrer von Badra“ wird aber Gustav Müller bereits 1914 als Molkereibesitzer genannt.

Ebenso unklar ist, wie lange er die Molkerei betrieb. Wahrscheinlich stellte Gustav Müller den Molkereibetrieb Ende der zwanziger oder Anfang der dreißiger Jahre ein, denn 1929 wurde die große Molkerei in Sondershausen- Bebra erbaut. Die Milch wurde nun von Richard Schön mit einem Traktor nach Sondershausen gefahren.

Das Gebäude der ehemaligen Molkerei kaufte Richard Schön, seine Tochter Jenny Wenk übernahm es und von ihr erbte es der Enkel Silvio Wenk, der es für seine Familie zu einem modernen Wohnhaus umbaute.

 

Das Gebäude erlebte in den letzten hundert Jahren eine wechselvolle Geschichte,

das betrifft nicht nur die baulichen Veränderungen, sondern auch die Nutzung. Nach der Aufgabe des Molkereibetriebes wurde das Gebäude der Molkerei als Wohnhaus genutzt, in den fünfziger Jahren und wohl auch noch Anfang der sechziger Jahre waren  hier das Bürgermeisteramt und auch das Standesamt untergebracht.

Aber auch von schweren Naturkatastrophen wurde die Molkerei aufgrund ihrer Lage heimgesucht. Ein besonders schweres Unwetter wurde von Pfarrer Syring in der „Chronik der Pfarrer von Badra“ beschrieben.

„...Besonders in Mitleidenschaft gezogen war die an der Staatsstraße gelegene Molkerei des Herrn Gustav Müller. Der Rodewestergraben und die dortige Brücke hatten das viele Wasser nicht fassen können und die Flut trat über die Ufer, wälzte sich über das Land und über die Straße in gerader Richtung auf das Molkereigebäude zu, hier großen Schaden anrichtend. Die Frau des gerade abwesenden Besitzers, kaum eines Kindleins genesen, war allein mit ihrer betagten Mutter und einer jungen Gehilfin und hatte nicht an eine derartige Gefahr gedacht. Etwas abgelegen von anderen Gebäuden war niemand in der Nähe, der Hilfe bringen konnte, zumal da ja niemand dort eine Gefahr vermutet hatte. Die Hilferufe wurden endlich von einem aus dem Wald zurückkehrenden Manne gehört, der Hilfe aus dem Dorf schickte. Mit einer ausgeworfenen Wäscheleine erst konnten zu Hilfe kommende Männer durch die Flut nach dem bedrohten Gebäude herangezogen werden. Keller, Küche, Haus, alles stand hoch im Wasser. Die Molkereieinrichtung, die Waschküche und Kühlräume wurden z.T. Zerstört, ein eiserner Kessel weggerissen, die gerade angesetzte Wäsche mit fortgeschwemmt oder verschlämmt. Käse und Butter sind in Mengen von dem Wasser fortgetragen worden. Der Schuppen im Hofe, unterspült, drohte einzustürzen und musste schleunigst gestützt werden. Das Gartenspalier wurde mit weggeschwemmt. Wohin man sah, ein Bild grausiger Verwüstung...“

 

Soweit das, was man noch über die Molkereiwirtschaft in Badra in Erfahrung bringen konnte. Die Informationen entstammen den Erinnerungen der Familie Wenk, insbesondere bei Frau Christa Weber bedanke ich mich dafür. Die „Chronik der Pfarrer von Badra“, übertragen von Frau Heide Schödl, war eine wertvolle Hilfe beim Erhellen einiger Fakten. Leider existieren aber keine Bilder der Molkerei von Gustav Müller mehr, sollten vielleicht in einem Familienalbum noch Aufnahmen vorhanden sein, wären sie eine wunderbare Ergänzung der vorhandenen Informationen.

 

Annerose Billert
Badra (März 2019)

 

 
 
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